Bringt eine Milchkuh in der konventionellen Milchindustrie ein Kalb auf die Welt, wird es meist unmittelbar nach der Geburt von der Mutter getrennt. Das Kalb wird anschließend zusammen mit anderen Kälbern in sogenannten Kälberiglus oder Kälberboxen aufgezogen. Wichtig ist für die Kälber innerhalb der ersten Stunden nach der Geburt die sogenannte Biestmilch zu bekommen.
Die Biestmilch, auch Kolostrum genannt, ist die Erstmilch der Mutter, welche viele wichtige Stoffe enthält, um das Immunsystem des Kalbes zu stärken. Diese Milch bekommen sie häufig aus Kälberflaschen oder Tränkeeimern verabreicht. Nach rund zwei Wochen kommt das männliche Kalb für die weitere Aufzucht auf dem Betrieb in die Gruppenhaltung mit anderen Kälbern.
Laut einer Schätzung des Rinderexperten Wolfgang Wanner wird 1 von 30 männlichen Milchkuhkälbern nach einer genomischen Selektion als Zuchtbulle auserwählt. Das Kalb wird dann auf dem Hof als Zuchtbulle eingesetzt oder verkauft.
Bei der genomischen Selektion handelt es sich um ein Zuchtwertschätzverfahren, bei welchem neben den Leistungs- und Abstammungsinformationen, auch die genetischen Vorraussetzungen des Rindes berücksichtigt werden. Das Verfahren ist bereits ab der Geburt anwendbar und hat eine Sicherheit von bis zu 70 Prozent. Damit bietet diese Methode den Landwirten eine solide Entscheidungsgrundlage für den Zuchtwert ihrer Tiere.
Überzeugt ein Zuchtbulle mit sehr guten genomischen Werten, sind Besamungsvereine bereit sehr viel Geld für das Tier zu zahlen.
Im Oktober 2021 wurde in Oberbayern der Fleckviehbulle namens „Senator“ aufgrund seiner überzeugenden Zuchtwerte für insgesamt 159.000 Euro an einen Besamungsverein verkauft. Er ist damit der aktuell zweitteuerste Bulle seiner Rasse.
Übertroffen hat ihn bisher nur der hornlose Fleckviehbulle „Vollkommen PP*“, welcher für 166.000 Euro versteigert wurde.
Häufig bleiben die männlichen Kälber jedoch nicht als Zuchtbulle auf dem Milchviehbetrieb, sondern kommen je nach Entwicklung mit ca. 6-8 Wochen in sogenannte Fresser-Aufzuchtbetriebe.
Dort werden sie in Großgruppen gehalten und für die anstehende Mast vorbereitet. Zielt ist es, die „Fresser“ schrittweise von der Milch auf festes Futter umzugewöhnen. Denn nur wenn sie sich zum Wiederkäuer entwickeln, können sie die erforderlichen Tageszunahmen in der Mast erreichen.
Erreichen die „Fresser“ ein Gewicht von ca. 180-200 kg, kommen sie mit einem Alter von ungefähr 6-8 Monaten in einen Mastbetrieb.
Im Alter von 1,5 bis 2 Jahren haben die Jungbullen dann ihr Zielgewicht von ca. 750 kg beim Mäster erreicht und werden daraufhin geschlachtet.